Kirche in der Einen Welt 

Gelebte Ökumene, die gemeinsame Werte schafft 

Ökumenische Partnerschaften | Klimagerechtigkeit I Freiwilligendienste I Migration und Menschenrechte | Anti-Rassismus-Arbeit I Interreligiöser Dialog I Seemannsmission


Frieden, Klimaschutz und Kirchenasyl: Die Mitarbeitenden des Ökumenewerks setzen sich für ein respektvolles Miteinander ein, das unsere Erde für alle zu einem lebenswerten Ort macht. Ob bei Freiwilligendiensten, der Flüchtlingsberatung oder internationalen Partnerschaften mit anderen Kirchen: Das Ökumenewerk ermöglicht den Austausch. Denn wer offen bleibt, wird mit dem Herzen sprechen.

Nur wer seine gewohnten Wege verlässt und sich auf andere zubewegt, kann seinen Horizont erweitern. Das Ökumenewerk unterstützt deswegen junge Erwachsene in verschiedenen Frewilligenprogrammen. Die internationalen Einsatzstellen reichen dabei von Litauen bis Kiribati.

Damit Gottes Schöpfung auch für kommende Generationen erhalten bleibt, engagieren sich die Mitarbeiter:innen hier bei uns in der Nordkirche und weltweit für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit. Sie beziehen Position, erstellen Bildungsmaterial und zeigen durch Best-Practice-Beispiele, wie Umweltschutzmaßnahmen in den Gemeinden und Werken umgesetzt werden können.

Um Gerechtigkeit geht es beim Arbeitsschwerpunkt Menschenrechte und Migration: Das Ökumenewerk berät nicht nur Geflüchtete, sondern macht sich auch mit einem breiten Netzwerk dafür stark, Fluchtursachen transparent zu machen: Es schafft ein Bewusstsein dafür, dass Naturkatastrophen, Nahrungsmittelknappheit und Verteilungskämpfe kein Problem der “anderen” sind, sondern auch in unserer Verantwortung liegen.

Außerdem beschäftigt sich das Ökumenewerk mit dem Thema Anti-Rassismus und interkulturelle Öffnung, damit wir eine Kirche sein, die Menschen willkommen heißt statt sie auszuschließen.

Starke Partnerschaften weltweit

Das Ökumenewerk unterhält Partnerschaften zu Kirchen in Afrika, Asien, Amerika, Europa und dem Mittleren Osten. Grundlage für die Zusammenarbeit ist der gemeinsame christliche Glaube und die Neugier, wie dieser in unterschiedlichen Kulturen gelebt wird.

Ziel ist es, durch den Austausch zu einem bestimmten Thema Ideen und Innovationen zu fördern und Herausforderungen besser meistern zu können. Dazu zählen auch die Partnerschaften auf Basis des Themas Klimagerechtigkeit: Gemeinsam bauen die teilnehmenden Institutionen Wissen und Fähigkeiten zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel auf.

Wir waren dabei, als eine Delegation aus Tansania die norddeutschen Halligen besucht hat.

Texte und Bilder : Simone Viere

Klimaschutz verbindet

Auf den ersten Blick haben die Halligen im nordfriesischen Wattenmeer und die Insel Ukerewe im tansanischen Viktoriasee nicht viel gemeinsam. Doch eint die Bewohner beider Eilande die Sorge um den Klimawandel und damit einhergehend um ihre Zukunft in ihrem Zuhause. 

Während die Menschen auf den norddeutschen Halligen fürchten, ihre Heimat durch schwere Stürme und Überflutungen zu verlieren, kämpfen die Menschen der Insel Ukerewe mit Hitzewellen und Dürreperioden.

Beim Programm „Church Climate Action Partnership“ (CCAP) treffen sie zusammen, um sich darüber auszutauschen, wie lokale Aktionspläne zum Klimaschutz aussehen können.

Ende 2024 waren fünf Männer und Frauen aus Tansania zu Besuch auf den Halligen Hooge, Langneß und Oland.

“Der Klimawandel betrifft uns alle”

“Die Jahreszeiten ändern sich. Hat es früher im Oktober verlässlich geregnet, bleibt der Regen jetzt aus. Das beeinflusst die Ernte. Je weniger geerntet wird, desto teurer werden die Lebensmittel. Der Klimawandel betrifft uns alle", sagt Projektkoordinatorin Joygrace Shoo.

Auch Baumpflanzungen spielen eine wichtige Rolle zur Stabilisierung des Bodens und zur Speicherung von Wasser und CO2, berichtet Esekiel Manase.

Er ist rund 6900 Kilometer von der Insel Ukerewe im Viktoriasee in Tansania nach Norddeutschland gereist. “Sich mit jemandem in einer ähnlichen Lage auszutauschen, ermutigt uns", sagt Manase über den Besuch der tansanischen Delegation in Deutschland.

Manchmal brauchen gute Lösungen einen langen Atem

“Wir auf Hooge haben in diesem Jahr die Winterkirche ausprobiert", erzählt Pastorin Hildegard Rugenstein. Statt die große Kirche zu heizen, trifft die Gemeinde sich im Winter im Gemeindehaus zum Gottesdienst feiern. So spart sie Energie und Emissionen.

Die Kirchengemeinde ist seit einiger Zeit als ökofaire Gemeinde zertifiziert. Auch wenn Klimaschutz auf den Halligen nicht immer einfach ist. So berichten die Bewohner:innen, dass Solaranlagen auf Reetdächern schwierig, Wärmepumpen im salzhaltiger Luft wenig praktikabel und Windräder im Nationalpark nicht zulässig sind.

Ein Grund zu resignieren ist dies jedoch nicht: In der Langeneßer Kirche soll demnächst die alte Ölheizung durch eine umweltfreundliche Lösung ersetzt werden.

Es ist nur ein Vorhaben von mehreren auf dem Weg zu mehr Klimaschutz. Denn es gilt nicht nur die eigene Heimat zu sichern, sondern die Schöpfung für kommende Generationen weltweit zu bewahren.

Klimaschutz in der Nordkirche - kompakt erklärt

  • 2015 hat die Landessynode der Nordkirche beschlossen, dass unsere Kirche bis 2050 treibhausgasneutral sein soll. 2022 wurde dieses Ziel mit dem Klimaschutzplan der Nordkirche noch einmal vorverlegt: auf 2035.

  • Im Klimaschutzportal der Nordkirche finden haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden sowie alle Interessierten Mitmach-Aktionen und Praxisbeispiele für den Klimaschutz.

    Ebenso erklärt das Portal, auf welchen wissenschaftlichen und theologischen Grundlagen die Nordkirche in Sachen Klimaschutz handelt.

    Auch gibt es dort Informationen zu kommenden Veranstaltungen und Vernetzungsmöglichkeiten.

  • Die Nordkirche hat ein Umwelt- und Klimaschutzbüro mit Sitz in Hamburg, das zu den Themen Energiesparen, Energieeffizienz und nachhaltige Mobilität berät. Außerdem dokumentiert es die Emissionen der Nordkirche und die Maßnahmen, um diese einzudämmen.

    Es steht in engem Austausch mit den Klimaschutzmanager:innen der einzelnen Kirchenkreise.

Thea Neumeyer reiste für ein Jahr mit dem Freiwilligen-Programm des Ökumenewerks der Nordkirche nach Argentinien. Foto: Simone Viere; Text: Julia Krause

Freiwilligendienst im Ausland: Zeit zu wachsen

Ihre erste WG liegt in der 12-Millionen-Stadt Buenos Aires, anfangs braucht sie zwei Stunden zur Arbeit. Wenn die Polizei die Straßen abriegelt, um die Massenproteste gegen die Regierungspolitik im Zaum zu halten, geht manchmal auch gar nichts mehr. Es ist laut, wuselig, manchmal auch bedrückend. Ein Kulturschock. Und doch eine der besten Erfahrungen ihres Lebens, sagt Thea Neumeyer.

Sie ist eine von vielen jungen Erwachsenen, die an einem der Freiwilligenprogramme des Ökumenewerks der Nordkirche teilnehmen. Zur Auswahl stehen soziale Projekte in 15 Ländern in Afrika, Asien, Lateinamerika und dem Pazifik-Raum.

Raus aus der Komfortzone

Mit 18 Jahren bewirbt sich Thea Neumeyer bewirbt sich für ein Kinder- und Jugendprojekt in Argentinien, das von der Partnerkirche Inglésia Rio de la Plata in Buenos Aires geleitet wird. Es bietet Kindern einen geschützten Raum, in dem sie vor und nach der Schule ihre Freizeit verbringen können, während ihre Eltern arbeiten.

Zwölf Monate lang arbeitet sie dort. Es ist eine Erfahrung, die sie aus ihrer Komfortzone lockt. Denn sie zeigt ihr eine Lebensrealität, die ganz anders ist als ihre bisherige. „Da sind Mütter zu uns ins Projekt gekommen und haben gesagt: ‚Hey, könnt ihr mein Kind nehmen? Ich muss jetzt noch einen vierten Job anfangen‘“, erinnert sich die heute 20-Jährige.

Die wirtschaftliche Lage ist kurz nach den Präsidentschaftswahlen angespannt, die Inflationsrate erlangt während ihres Aufenthalts eine fast 200-prozentige Steigerung, gerade im sozialen Bereich werden viele Gelder und somit auch Angebote gestrichen, erzählt sie.

Erfahrungen, die ins Grübeln bringen

Auf den Straßen begegnet ihr Armut. „Das war manchmal ganz schön hart. Man kann sich nicht in die Situation hineinversetzen. Wie viele Kinder dort betteln“, erzählt sie. Auch offene Wunden und andere Verletzungen seien keine Seltenheit. Man muss immer Geld bezahlen, um ins Krankenhaus zu gehen.“

Sie selbst bezieht über das Ökumenewerk ein festes Einkommen, hat eine Krankenversicherung und ein Netzwerk von Ansprechpartner:innen, an die sie sich jederzeit wenden kann. Auch ein Urlaub steht ihr zu, den sie zum Reisen nutzt.

“Ich habe wirklich viele Ecken in Argentinien gesehen, die meine Kolleg:innen noch nicht mal in ihren Träumen bereist haben“, sagt sie. Es ist ein Privileg, das sie mit Dankbarkeit erfülle.

Sie wisse, dass ihr Auslandsaufenthalt in erster Linie ihr selber gutgetan hat. „Wir gehen dahin, weil es ein Lehrdienst ist. Also: Ich nehme am meisten von diesem Freiwilligendienst mit“, sagt die Neubrandenburgerin. Die Kinder, Eltern und Kolleg:innen, die sie dort kennenlernte, seien noch immer in der gleichen Situation. Aber sie selbst sei in dieser Zeit sehr gewachsen.

Was bleibt, sind viele Freundschaften

Was bleibe, seien Freundschaften, die sie ohne das Auslandsjahr nie geschlossen hätte. Insbesondere zu den Mitfreiwilligen bestehe nach wie vor ein enger Kontakt.

„Das wird immer eine besondere Gruppe an Menschen sein“, sagt Thea Neumeyer und ergänzt. „Ich könnte jetzt eine Deutschlandreise machen und in jeder großen Stadt eine Unterkunft finden. Wir bleiben eine riesengroße Familie.“

Das Tollste aber sei, dass sie nach einem Jahr in Argentinien mit dem Gefühl nach Hause gefahren sei, ein zweites gefunden zu haben.

Ein Jahr in Südamerika: Thea Neumeyer hat den Schritt gewagt und ist mit 18 Jahren als Freiwillige nach Buenos Aires gereist, um in einem kirchlichen Projekt für Kinder und Jugendliche zu arbeiten. Im Video erzählt sie von ihren Erfahrungen.

Unsere Freiwilligendienste

  • Bei den Freiwilligenprogrammen des Ökumenewerks ins Ausland müssen alle Teilnehmer bei Ausreise mindestens 18 Jahre alt sein. Beim Programm “weltwärts” dürfen sie nicht älter als 25 Jahre alt sein, beim Programm “Der andere Blick” ist 28 die Altersgrenze. Hier wird auch eine Mitgliedschaft in der Nordkirche vorausgesetzt, bei “weltwärts” ist dies nicht der Fall.

  • Bei “weltwärts” sind Flüge, Versicherungen, Visa, Unterkunft, Verpflegung für die Teilnehmer:innen kostenfrei. Ebenso werden die Seminare und ein Taschengeld bezahlt.

    Beim Programm “Der andere Blick” sind die oben genannten Leistungen ebenso enthalten. Hier fällt jedoch ein Eigenanteil von 1200 Euro für das Auslandsjahr an.

    In beiden Fällen bittet das Ökumenewerk um Spenden durch den Aufbau eines Förderkreises.

  • Der Aufenthalt im Ausland dauert je nach Projekt 5, 11 oder 12 Monate. Bewerbungen werden jeweils im Oktober für den darauffolgenden Sommer entgegengenommen. Weitere Informationen erhalten Interessierte auf der Website des Ökumenewerks unter dem Stichwort Freiwilligendienst

    und der Email freiwillige@nordkirche-weltbewegt.de; Telefon: (040) 881 81 150.

Gelebte Solidarität

Gemeinsames kochen, essen, lachen: In der Kirchengemeinde Sandesleben leben Geflüchtete im Kirchenasyl mit Menschen aus der Kirchengemeinde wie in einer Familie.

Die Kinder lernen Deutsch, können in den Kindergarten gehen und üben ein, wie man sich nachhaltig und ökologisch verhält. Beim respektvollen Umgang in der Gemeinschaft werden sie für ihr weiteres Leben gestärkt. Hier werden ihren oft sehr traumatischen Fluchterfahrungen positive Erlebnisse entgegengesetzt, die ihnen neue Kraft und Zuversicht geben.

Film und Foto von Jonas Nahnsen.

Schutz und Beratung für Geflüchtete

Eine neue Heimat

Nächstenliebe heißt, mit offenem Herzen auf andere zuzugehen und sie so zu unterstützen wie einen Freund. Egal, wo jemand herkommt und welche Religionszugehörigkeit und persönliche Geschichte er oder sie hat: Die Nordkirche und das Ökumenewerk sind für Menschen da, die ihre Heimat verlassen haben, um Bedrohungen verschiedenster Art zu entgehen.

Neben einer Rechtsberatung und Hilfe bei Behördengängen geht es auch darum, ganz praktische Hilfe vor Ort zu leisten: Mit Angeboten zum Deutsch lernen, zur Kinderbetreuung, der Familienberatung und verschiedenen Freizeitangeboten, die neue Freundschaften ermöglichen.

Erste Ansprechpartnerin ist die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, Dietlind Jochims. Sie vermittelt zwischen gesellschaftlichen Akteurinnen und sorgt für die Einhaltung der Rechte von Geflüchteten. Außerdem berät sie Gemeinden, die Geflüchtete mit oben genannten Angeboten auf ihrem Weg in ein neues Leben begleiten.

In akuten Notsituationen kann auch das Kirchenasyl eine Möglichkeit sein, mit der eine Kirchengemeinde Menschen unterstützt. Unser Film zeigt, wie die Gemeinde Sandesleben in Schleswig-Holstein, Geflüchteten Schutz auf Zeit bietet.

Flüchtlingshilfe auf einen Blick

  • Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche ist Pastorin Dietlind Jochims. Sie koordiniert die Arbeit der Flüchtlingsbeaufragten der 13 Kirchenkreise und vertritt die Nordkirche auch in verschiedenen Netzwerken, wie etwa der ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asly in der Kirche. Unterstützt wird sie von Katherine Braun, Referentin für Flucht, Migration und Menschenrechte.

  • Die Entscheidung über ein Kirchenasyl wird nicht durch die Nordkirche gefällt, sondern liegt beim jeweiligen Kirchengemeinderat. Ob eine Gemeinde Einzelpersonen oder Familien Schutz gewähren kann und möchte, wird also vor Ort geprüft und demokratisch entscheiden. Die Flüchtlingsbeauftragte kann eine Gemeinde in dieser Hinsicht lediglich beraten.

    Generell ist das Kirchenasyl nicht als dauerhafte Lösung angelegt. Vielmehr soll es von Abschiebung bedrohten Menschen in Härtefällen etwas mehr Zeit verschaffen, in denen ihr Asylantrag durch die Behörden erneut geprüft werden kann.

    Menschen, die sich im Kirchenasyl befinden, leben ausschließlich auf Kirchengrund. Sie werden zu einem Großteil durch Spenden und ehrenamtliche Mitarbeitende versorgt.

    Bislang wurde diese Regelung durch die staatlichen Behörden und Polizei respektiert. In jüngster Zeit gab es jedoch vereinzelt Fälle, in denen das Kirchenasyl gebrochen wurde, was für die Betroffenen eine äußerst traumatische Erfahrung bedeuten kann.

  • Die Nordkirche arbeitet in der Flüchtlingshilfe eng mit den Diakonischen Werken und den Kirchenkreisen zusammen, die wiederum oft lokale Projekte und Hilfseinrichtungen vor Ort fördern.

    Eine zentrale kirchliche Hilfestelle ist Fluchtpunkt in Hamburg. Sie bietet eine unabhängige Rechtsberatung (per Dolmetscher:innen) in der jeweiligen Landessprache der Klienten.

    Durch Spendengelder kann Fluchtpunkt bedürftige Menschen finanziell unterstützen und dringend benötigte Medikamente besorgen. Zudem werden in einigen Fällen auch die Kosten für Ärzte und Psychotherapien übernommen. Das Gleiche gilt für Gerichtskosten und Gutachten.

  • Wer die Flüchtlingsarbeit der Nordkirche unterstützen oder unbürokratische Einzelfallhilfe leisten möchte, kann dies mit einer finanziellen Spende an:

    Landeskirchenkasse
    IBAN: DE48 5206 0410 3806 5650 00
    BIC: GENODEF1EK1
    Vermerk: KSt 42051004 für Flüchtlingsarbeit/Einzelhilfen

    Wer direkt an Fluchtpunkt spenden möchte, kann Überweisungen an folgendes Konto tätigen:

    Fluchtpunkt, Evangelische Bank eG
    IBAN DE04 5206 0410 4306 4900 18
    BIC GENODEF1EK1

    Zur Online-Spenge geht es hier.

Antirassismus-Arbeit

Auf dem Weg zu einer interkulturellen Öffnung

Unsere Kirche hat eine weiße Geschichte. Das heißt jedoch nicht, dass dies so bleiben muss: Das Ökumenewerk der Nordkirche verfolgt verschiedenen Ansätze auf dem Weg zu einer interkulturellen Öffnung.

Ein wichtiger erster Schritt auf diesem Weg ist die Erkenntnis, dass Rassismus uns alle betrifft. Wir begreifen ihn jedoch nicht als unveränderbaren Zustand, sondern als eine Herausforderung, der wir uns stellen: Wir hinterfragen unser Denken und Handeln, um es ändern zu können und so Strukturen zu schaffen, die Vielfalt ermöglichen.

Im Interview erzählen Pastorin Daniela Konrädi (Referentin Ökumenische Bildungsarbeit mit Schwerpunkt Rassismuskritik) und Nicolas Moumouni (Referent für interkulturelle Kirchenentwicklung), wie sich struktureller Rassismus äußert und was wir unternehmen sollten, um ihn abzubauen.

Texte, Porträtbilder und Galerie: Ökumenewerk; Aufmacherbild: Gerd Altmann (Pixabay)

Rassismus existiert überall in der Gesellschaft – auch in der Kirche. Das lähmt, schließt aus und hindert unsere Kirche daran, zukunftsfähig und gesellschaftlich relevant zu sein.

Daniela Konrädi und Nicolas Moumouni wollen mit ihrer Arbeit ein Bewusstsein schaffen für strukturellen Rassismus auf allen Ebenen unserer Kirche. Sie entwickeln Konzepte und Strukturen, damit sich die Nordkirche verändert und zu einem Ort wird, an dem alle Menschen unabhängig von ihrer Sprache, Kultur, Herkunft oder religiösen Tradition eine Heimat haben. 

Liebe Frau Konrädi, lieber Herr Moumouni, Sie beide bekleiden zwei von tausenden Stellen in unserer Kirche. Einige wenige andere People of Colour (PoC) haben außer Ihnen ein Amt. Was können Sie bewirken?

Konrädi: Die Möglichkeit, das Thema „Rassismus“ im Rahmen einer Stelle platzieren zu können, ist ein großer Erfolg – das hat viele Jahre Arbeit in Initiativen, Bildungsveranstaltungen und zuletzt im Qualitätszirkel des Prozesses „Interkulturelle Öffnung“ bedeutet.

Moumouni: Unsere vorwiegend „weiße“ Kirche ist exklusiv, das ist heute nicht mehr zeitgemäß. Für eine Mehrperspektivität in den vielen laufenden Prozessen unserer Kirche sind PoC-Perspektiven dringend nötig, zum Beispiel im Zukunftsprozess oder für den Weg unserer Kirche hin zur Treibhausgasneutralität. Deswegen müssen bestimmte Funktionen mit PoC besetzt und ihre Expertise muss auch gehört und eingebunden werden. Wir leisten gerade Pionierarbeit und machen Kirche auf Themen aufmerksam, die sie bis jetzt nicht in dem Maße auf Schirm hatte. Das communitybasierte Fachwissen, was wir mitbringen und die Erkenntnisse aus unseren jeweiligen Referaten, müssen entsprechend auch genutzt werden, wenn wir Änderungen auf struktureller Ebene anstreben.

“Weiße Kirchenmitglieder müssen sich zu einem Perspektivwechsel bewegen lassen”

Konrädi: Menschen mit Zuwanderungsgeschichte oder auch Kinder brauchen Vorbilder, Identifikationsfiguren und Anknüpfungspunkte, das können wir sein. Wenn man nicht will, dass Communities nur unter sich bleiben, dann muss die Kirche auch Beteiligungsmöglichkeiten für sie anbieten. Diese Räume müssen rassismus-sensibel gestaltet werden, sodass PoC nicht fürchten müssen, dass ihnen rassistische Ressentiments oder Übergriffe drohen. Das bedeutet vor allem, dass sich weiße Kirchenmitglieder durch Antirassismusworkshops und diversitätsorientierte Fortbildungen zu einem Perspektivwechsel bewegen lassen.

Welche Maßnahmen sind nötig, damit sich unsere Kirche und ihre Netzwerke verändern und für PoC ein einladender und sicherer Raum werden?

Konrädi: Es reicht nicht, Rassismus als ein Thema zu sehen, das in kirchlichen Veranstaltungen besprochen und durchdacht wird. Für uns ist Rassismus eine Lebensrealität, die es zu beenden gilt und die zutiefst ungerecht ist, weil sie dafür sorgt, dass PoC anders gesehen, behandelt und bewertet werden als weiße Menschen. Öffentliche Statements, wie das gegen die Hasskommentare gegen Quinton Ceasar, das uns sehr positiv gestimmt hat, reichen trotzdem nicht dafür aus, die Kirche und ihre Strukturen zu verändern. Nötig ist ein Perspektivwechsel hin zur gleichberechtigten Beteiligung und Mitwirkung von Menschen of Color und dafür braucht es einen gesamtkirchlichen Prozess, gelebt und initiiert durch Kirchenleitende. Dieser Prozess sollte nicht nur zum Ziel haben, dass die Zahl der in der Kirche beschäftigten PoC deutlich ansteigt, sondern auch, dass sich Kirche dazu aufmacht, ein sicherer Ort für alle Menschen zu werden.

“Überall, wo PoC fehlen, müsste sich Kirche die Warum-Frage stellen”

Moumouni: Kirche muss eine Selbstkritik an sich selbst üben und ihre Strukturen hinterfragen. Nachdem sie erkannt hat, dass sie fast komplett weiß ist, müssen Ausschlussmechanismen – wie Rassismus, Vorurteile, etc. – durch konkrete Maßnahmen abgebaut werden. Überall, wo PoC fehlen, müsste sich Kirche die „Warum-Frage“ stellen und Instrumente schaffen, die ein Miteinander statt ein Nebeneinander in einer pluralen Gesellschaft pflegen.

Kirche weiß seit langem, dass internationale Gemeinden nach Räumen schreien und teilweise zu Wucherpreisen die vorhandenen Räume nutzen. Das müsste ein sofortiges Ende im Namen der Nächstenliebe und Ressourcenteilung finden.   

Können Sie weitere Beispiele nennen?

Konrädi: Der Blick auf PoC ist oftmals paternalistisch geprägt. PoC sind in kirchlichen Kontexten immer wieder Opfer, Hilfsempfänger, zum Beispiel Geflüchtete oder Menschen aus Partnerkirchen. Dabei steigt seit vielen Jahren der Anteil von PoC in der Bevölkerung stetig an. Die Allermeisten leben seit Jahrzehnten hier, arbeiten und haben Kinder. Ihr Potenzial wird aber von der Kirche bislang nicht wahrgenommen. Denn gerade PoC bringen oft Mehrsprachigkeit, Kultursensibilität und Flexibilität mit, die aufgrund ihrer Migration notwendig wurden.

“Unsere Kirche braucht eine aktive Strategie, um PoC in ihren Reihen zu gewinnen”

Moumouni: Die Kirche kann auch eine attraktive Arbeitgeberin sein, aber der Kampf um kluge Köpfe hat längst begonnen. Schulen, Behörden oder Polizei konkurrieren mit uns und organisieren Messen und Kampagnen. Unsere Kirche braucht eine aktive Strategie – losgelöst vom Missionsauftrag -, um PoC in ihren Reihen zu gewinnen. Dafür ist es nötig, dass Beschränkungen aufgegeben werden, zum Beispiel die Mitgliedschaft in der Nordkirche und dass Anerkennungsverfahren für im Ausland erworbene Qualifikationen erleichtert werden. Das Gleiche gilt auch für die Eingruppierung bei Stellenbesetzungen. Es braucht auch Ansprechpersonen und Anlaufstellen in Kirche bei rassistischen Diskriminierungen. Safer Spaces und von Kirche finanzierte Empowermentsräume für PoC tragen genauso zur Attraktivität des Arbeitsumfeldes bei.

Ich habe vorher in einem der größten Diakonischen Werk auf dem Gebiet der Nordkirche gearbeitet. Dort ist es heute möglich zu arbeiten, auch ohne Mitgliedschaft in der Nordkirche. Kirche könnte an dieser Stelle viel von ihren Diakonischen Werken lernen.

“Internationale Pastor:innen leisten enorm wertvolle Arbeit – und das alles ehrenamtlich”

Es gibt zum Beispiel in den vielen internationalen Gemeinden Pastor:innen, die ihr Studium an theologischen Hochschulen in ihren Heimatländern absolviert oder hier im Land an verschiedenen Weiter- und Fortbildungen in unseren Akademien teilgenommen haben. Sie leisten enorm wertvolle Arbeit in der Seelsorge in den internationalen Gemeinden oder der Begleitung und Beratung von Geflüchteten – und das alles ehrenamtlich. Sie haben keine Möglichkeit, eine reguläre Stelle in unserer Kirche für ihre Arbeit zu bekommen. Ohne ihren immens wichtigen Beitrag als Teil der Willkommenskultur in einer Einwanderungsgesellschaft sähe die Lage dieser Menschen, die von der Kirche als „weniger relevante Zielgruppe“ angesehen werden, noch schwieriger aus.

Wie können weiße Menschen Verbündete sein? Was muss unsere Kirche dafür tun und bereitstellen?

Moumouni: Organisationen bestehen aus Menschen und Menschen bilden und prägen die Strukturen. Einzelne Menschen an verschiedenen Stellen verfügen über sehr viel Macht in unserer Kirche, jeder Mensch sollte sich dieser Macht bewusstwerden. Aus der rassismuskritischen Praxis geht dies nicht ohne die Auseinandersetzung mit den eigenen Privilegien einher. Denn am Ende geht es um solidarisches Handeln für marginalisierte Menschen im Sinne unseres allergrößten Vorbildes – Jesus Christus.

Konrädi: Die Kirchenleitenden müssen alle Bereiche in unserer Organisation zu Bildungsarbeit auffordern, damit struktureller Rassismus erkannt wird und bearbeitet werden kann. Der durch die Synodentagung 2021 angestoßene Prozess ist hilfreich. Und Empowerment-Gruppen von und für PoC brauchen Ressourcen.

Seemannsmission

Auf See und an Land füreinander da

Foto: SHansch, iStock

Seemannspastor Götz-Volkmar Neitzel:

„Bei der Seemannsmission heißt es: Du bist hier willkommen. Und dann ergibt sich etwas.“

Gut 80 Prozent aller Handelsgüter weltweit werden über den Seeweg transportiert. Trotz zunehmender Automatisierung sind tausende Menschen in der Seefahrerei beschäftigt.

Die internationalen Besatzungen sind oft monatelang unterwegs, leben und arbeiten auf engem Raum und genießen wenig Privatsphäre.

Um das Wohlbefinden der Seeleute zu steigern, bieten die Deutsche Seemannsmission und ihre regionalen Einheiten nicht nur geistige Impulse, sondern auch ganz praktische Hilfen an: Sie machen Bordbesuche, verteilen Spenden, sammeln Briefe und Pakete und unterhalten vielerorts Seemannsclubs, in denen sich die Menschen erholen und Dinge des täglichen Bedarfs einkaufen können.

Ein wichtiger Baustein ihrer Arbeit ist auch die psychosoziale Notfallversorgung, die Seeleute in Krisenfällen seelsorgerisch betreut. Unter „https://dsm.care“ ist überdies eine Chatseelsorge für Seeleute in englischer und deutscher Sprache eingerichtet. Sie kann rund um die Uhr genutzt werden.

Die Angebote der Seemannsmission stehen allen Seeleute unabhängig von ihrer Herkunft und ihrer Religionszugehörigkeit offen. Oft arbeitet sie auch mit anderen wohltätigen Organisationen zusammen.

Weltweit arbeitet die Deutsche Seemannsmission mit mehr als 600 Haupt- und Ehrenamtlichen in 33 Häfen und 15 Ländern. Auf dem Gebiet der Nordkirche gibt es insgesamt sechs Seemannsmissionen, die vertraglich an die Landeskirche gebunden sind.

Gleiches gilt für das Seemannspfarramt. Es ist an das Ökumenewerk der Nordkirche gekoppelt. Seemannspastor der Nordkirche ist derzeit Götz-Volkmar Neitzel.

Die Seemannsmission Lübeck verteilt Weihnachtstüten an die Crews der Containerschiffe. Die Gaben kommen alljährlich durch Spenden zusammen.

Foto: Seemannsmission Lübeck


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